Stellungnahme der LAG Betreuungsvereine Hessen e.V. zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Vormünder- und Betreuervergütung
Die LAG Betreuungsvereine Hessen e.V. nimmt im Folgenden Stellung zum vorgelegten Referentenentwurf vom 16.09.2024. Wir schließen uns den bereits vorliegenden Stellungnahmen, insbesondere des BGT e.V. in den meisten Punkten an. Wesentliche Aspekte sind hier bereits herausgearbeitet worden. Diese Stellungnahme bezieht sich daher auf die besondere Situation der Betreuungsvereine sowie wenige zusätzlich aufgefallene Sachverhalte.
Die Betreuungsvereine Hessens begrüßen zunächst ebenfalls den Wegfall der Aufgabe, Berechtigte nach Ende einer Betreuung auf die Möglichkeit der Schlussrechnungslegung hinzuweisen. Zudem wurde die Vereinfachung der Abrechnungsmodalitäten aus Zeitersparnisgründen ebenso positiv aufgenommen wie die verbindliche Einführung der Dauervergütung, letztere leider erst ab 2028.
Die verschiedenen Aufgabengebiete der Betreuungsvereine machen den Referentenentwurf jedoch in mehrerlei Hinsicht inakzeptabel.
Im Einzelnen:
- Betreuungsvereine sollen gemäß § 16 BtOG eine ausreichende Anzahl an qualifizierten Vereinsbetreuer:innen zur Verfügung stellen, sollen also sicherstellen, dass im Verein eine erhebliche Zahl rechtlicher Betreuungen geführt werden kann. Was der Referentenentwurf für die auch in den Vereinen tätigen Betreuer:innen bedeutet, wurde in der Stellungnahme des BGT e.V. und in anderen bereits ausgeführt. Ergänzend machen wir darauf aufmerksam, dass in Vereinen vor allem komplexe Betreuungen mit dem finanziellen Hintergrund der Mittellosigkeit geführt werden. Dieses in der Abrechnung bisher schon bestehende Vergütungs-Missverhältnis zwischen Arm und Reich soll in der Zukunft weiter zementiert werden (§ 9 VBVG). Dies ist sachlich und fachlich unverständlich, da gerade diese Betreuungen oft mit dem höchsten Arbeitsaufwand verbunden sind. Die zudem stattfindende Umverteilung der Vergütung hin zu den stationären Wohnformen (§ 8 I VBVG), widerspricht neben den Grundsätzen in der UN-BRK auch der Arbeit der elementar im sozialen Hilfegefüge der Kommunen verankerten Vereine sowie dem sozialen Grundsatz „ambulant vor stationär“ im § 13 SGB XII. Vereinsbetreuer bemühen sich in besonderer Weise um den Erhalt der Wohnung eines/r Betreuten. Die Arbeit mit der derzeit größten Gruppe der Betreuten im Betreuungsverein, nämlich Mittellosen in eigener Wohnung, würde zu nicht mehr zu kompensierenden Einbußen in der Betreuungsarbeit der Vereine und letztendlich zu Schließungen führen.
- Des Weiteren fehlt auch in diesem Entwurf wieder die Dynamisierung der Vergütungen; er wird somit Lohn- und Preissteigerungen erneut nicht gerecht. Die bis hierher bereits entstandene Lücke in den Lohnanpassungen bei Vereinen, die nach öffentlichen Tarifen sozialversicherungspflichtige Löhne zahlen müssen, würde sich noch weiter vergrößern und untragbar werden. Eine reine Umverteilung der zur Verfügung stehenden Mittel, wie im Referentenentwurf vorgenommen, reicht nicht aus. Die angedachte Basiserhöhung von 12,7% ist bei Weitem nicht hinreichend, zumal nach Abzug der Inflationspauschale nur noch eine marginale Erhöhung übrig bleibt. Vielmehr müsste die dann wegfallende Inflationspauschale hinzugerechnet werden, so dass die Betreuungsvereine Hessens eine Basiserhöhung von mindestens 20% fordern.
- Betreuungsvereine nehmen darüber hinaus gemäß § 15 BtOG die Aufgaben der Querschnittsarbeit für Ehrenamtliche sowie eine allgemeine Beratungsfunktion bezüglich wichtiger gesellschaftlicher Themen wie Vorsorgevollmachten und Patientenverfügung wahr. Diese wird im Wesentlichen durch das Land Hessen mit in der Regel zusätzlichen Mitteln der Kommunen finanziert. Müssten nun immer mehr Betreuungen geführt werden, ginge dies faktisch entweder von der zur Verfügung stehen Querschnittszeit ab, was nicht sein darf, oder aber von der Qualität in der Betreuungsführung und damit zu Lasten der Betroffen, was gerade vor dem Hintergrund des reformierten Gesetzes ebenfalls nicht denkbar sein darf. Somit würde die mühsam entwickelte gute Reform vom eigenen Haus ad absurdum geführt.
- Weiter haben Vereine bisher leichter zu führende Betreuungen an Ehrenamtliche abgegeben. Da genau diese Betreuungen in Zukunft besser vergütet werden sollen (s.o.), ist der Anreiz hier nicht mehr gegeben, zumal auch die diesbezüglichen Pauschalen bei der Vermittlung an Ehrenamtliche wegfallen sollen. Daher steht die LAG Betreuungsvereine Hessen e.V. dem Fortfall aller Pauschalen durchaus differenziert gegenüber. Einerseits ist ihr Wegfall eine Vereinfachung bei der Abrechnung, andererseits trifft der Wegfall der Pauschalen bei Vermittlung und Übernahme von Ehrenamtlichen die Vereine jedoch in besonderer Härte, denn sie sind es in erster Linie, die diese Aufgaben durchführen und dann auch abrechnen können. Die Ehrenamtlichen brauchen die Vereine zur Wahrnehmung ihres fordernden Ehrenamts, aber auch zur Führung von Verhinderungsbetreuungen. Und sie müssen an die Vereine zu komplexe Betreuungen abgeben können – für diese nicht reizvoll bei dem Wegfall der Pauschale bei der Übernahme vom Ehrenamtlichen.
- Wir sind zudem der Ansicht, dass die Kürzung um Tage der an sich schon geringen Aufwandspauschalen der Ehrenamtlichen bei Tätigwerden des Vereins in der Verhinderungsbetreuung aufgehoben werden soll. Dies führt regelhaft zu großem Unmut zumindest bei Ehrenamtlichen, die Betreuungen außerhalb der Familie führen. Das Argument, dass dies ja nicht viele seien, können wir nicht nachvollziehen, da wir um die Akquise genau dieser Ehrenamtler auch mit der Durchführung des qualitativ hochwertigen Curriculums sehr bemüht sind. Genau hier müssen doch die Anreize geschaffen werden, um das an die Grenzen gekommene Betreuungssystem durch eben jene engagierten Ehrenamtlichen entlasten zu können.
Abschließend bleibt zu bemerken, dass dem Entwurf der Blick auf die Gesamtheit der sozialen und gesundheitlichen Hilfelandschaft fehlt. Fällt die wichtige Rolle der Betreuungsvereine aufgrund von Schließungen weg, müssten andere diese Aufgaben, die ja immer dieselben bleiben werden, übernehmen: Mit Personal, das es nicht gibt und in der Regel noch deutlich höheren Kosten, die nicht zu bewältigen sind. Vor dem Hintergrund der sinnvollen Reform, die wir alle mit großem Engagement durchführen und dem Blick auf die, die diese Reform dringend gebraucht haben, bedarf der Referentenentwurf dringend weiterer Überarbeitung.